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Brillenturm

 

Neue Stelle nach der Meisterprüfung. So etwas Abgefahrenes hatte ich noch nirgendwo gesehen: Mitten im Optikladen stand ein riesiges Brillenrondell, das sich um einen kleinen, turmförmigen Innenraum drehen ließ. Drumherum waren mehrere Anpasstische und es gab eine schmale Klappe, durch die man in den Innenraum gelangte, der als Etuilager genutzt wurde.

 

Ab und zu verschwanden wie auf ein geheimes Kommando mehrere meiner neuen Kollegen zusammen in diesem Kabuff. Ich vermutete einen mir unbekannten Arbeitsauftrag.

 

Als ich am Monatsende bei der routinemäßigen Betriebsbesprechung eine öffentliche Rüge als „schlechtester Verkäufer des Monats“ erhielt, erzählte mir auf dem Nachhauseweg die Auszubildende (!), wie ich „besser“ verkaufen könnte: Der Trick bestehe darin, sich „schlechte“ Verkäufe vom Hals zu halten. Wenn man an der langen Schaufensterfront jemand kommen sehe, der einen einfachen oder ärmlichen Eindruck mache oder schon als „Kassenbrillenkäufer“ bekannt sei, müsse man einfach einen anderen vorschicken. „Oder gleich im Brillenturm verschwinden“, ergänzte ich.

 

Obwohl, vielleicht sogar weil ich Kunden sehr gern gut und wenn notwendig auch ausführlich beraten habe, war ich in diesem Laden nie auf dem ersten Platz der Verkäufer. Dafür hatte ich rasch gemerkt, dass ich bei solcher Berufsauffassung fehl am Platze war.

 

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